21
Aug
2008

von uns.

Nasses Haar, das im Gesicht kitzelt
Meine Nase in deinem Nacken
Sonnencreme vermischt mit Chlorgeruch
Dein Lakritzstangen Atem und mein Lutschmuscheln Duft
Eingerollt auf einer Decke
Viel zu spät zum Sonnen
Kurz vor der Dämmerung
Noch ein Sprung ins Wasser
Noch eine Toberei
Helles Lachen, neckisches Geschubse
Wettschwimmen und atemloses Festklammern am Beckenrand
Zufällige Berührungen, die bewusste Annäherung unserer Köpfe
Unsere süßen Sommerküsse, nur unterbrochen durch mein Gekicher
Sommersprossenzählen und Eisstiel schnieken
Der Wind in den Bäumen und das Rascheln der Blätter
Sommersonne Abendlicht
Dürfen kleine Kinder nicht
Wir durften alles, die Welt gehörte uns
Waren so unbewusst glücklich, so in uns verliebt
Händchenhaltend auf den Rädern
Angelehnt an deine Brust, sitzend auf der Stange
Unser Abend war nicht vorbei, würde nie vorbei sein
So ein großes Gefühl im Bauch und ich wusste
Du hattest es auch
Keine Unsicherheit, keine Zweifel
Wir waren eins und eins und eins und eins
Eine Eins, eine Einheit
Unsere kleinen Bisse, weil Küsse nicht mehr reichten
Die Überraschung im heilen Kinderherzen zu erfahren
„das ist Liebe? Das ist die Liebe?“
Wir konnten es nicht fassen, erzählten uns
und allen Menschen auf der Welt unsere Geschichte
die unendliche sollte es werden
doch jemand raubte uns diese kleine unscheinbare Silbe
un
diese zwei kleinen Buchstaben, die für uns alles waren
und so endetest du
endeten wir
und verendete ich.

Und nun diese Truhe.
Diese Truhe mit dem großen Schloss.
Und wie ein Wunder, wie ein schreckliches Wunder
fällt mir vor einigen Wochen dieser Schlüssel in die Hand
Ein Griff, ein kleiner Griff hinein
Und ich würde die Kassette einlegen
Zitternd mit klopfendem Herzen
Würde den Play-Knopf des alten VHS Gerätes drücken und
Dich lachen hören
Dich herumalbern sehen
Meinen Namen rufend
Doch ich schließe die Augen
Schließe die Truhe
und schließe das Schloss.
Doch der Schlüssel…
Der Schlüssel wird bleiben
Und irgendwann wird er das tun, wozu er da ist.
Aufschließen.
Um abzuschließen.

In Erinnerung an den 22. August 1994.

Bist du weg?

Manchmal wacht man morgens auf und weiß: es ist vorbei. Man horcht in sich hinein und man spürt... nichts. Leere. Dort wo früher ein dumpfes Drücken, ein stechender Schmerz und ein flaues Gefühl getrennt voneinander oder in einer Zweckgemeinschaft wohnten, ist nichts mehr. Ruhe. Stille. Ich würde fast schon sagen Frieden. Manchmal wacht man morgens auf und diese bestimmte Sache, die einen immer beschäftigte - das können viele Sachen sein: eine unglückliche Beziehung, eine große unüberbrückbare Angst Schrägstrich Panik vor etwas bestimmten, die traurige oder so grauenhaft schmerzhafte Vergangenheit, die einem nur ein normales Leben ermöglicht, stopft man diese in den hintersten Schuhkarton im Wandschrank der Erinnerungen, eine tief in der Seele verscharrte Phobie oder ein Trauma, große Gefühle wie quälende Sehnsucht und herzrasendes Vermissen - alles mögliche kann das sein. Und eines Morgens, wacht man auf und es ist weg. Man strengt sich fürchterlich an, um ganz tief in seinen Bauch, seine Seele zu lauschen, aber es ist nicht mehr da. Man geht in Gedanken jeden Quadratzentimeters seines Körpers ab, fängt bei den Füßen an und landet - selbstverständlich! - im Gehirn. Und sucht auch dort, nicht ohne leise mit sich selbst zu sprechen und zu murmeln: "Wo zur Hölle bist du, wo hast du dich versteckt?" Doch man bekommt keine Antwort. Man sucht und sucht, jede Hirnwindung wird akribisch genau obduziert, und fragt am Ende, ungläubig und fast ehrfürchtig: "Bist du weg?"... Wiederholt den Vorgang immer und immer wieder, hört nicht auf zu suchen, während man unter der Dusche steht, zwischendurch das Wasser abdreht, um zu lauschen. Beim Zähneputzen innehält und wie ein Hase die Ohren spitzt, die Augen geschlossen, fassungslos, immer noch nichts zu finden. Beim Sich-Anziehen das ganze Thema kurz ausblendend, weil man sonst wie ein Kasperle das Haus verlassen würde. Die kurze Strecke zum Bahnhof im Auto ohne Radio fahrend, weil man durch den Lärm die innere Stimme verpassen könnte. In der U-Bahn das Buch in der Tasche lassend, um weiterhin zu lauschen. Doch nichts. Nichts nichts nichts.

Und bis zu dem Tag, bis zu dem traurigen Tag, an welchem man die altvertraute, krächzende und angsteinflössende Stimme sagen hört: "Hier bin ich wieder!" ist man frei.

Frei.
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