2
Mai
2008

Ich bin ein Miststück

Ich bin ein Miststück.
Ich habe das schon von den verschiedensten Menschen gehört.
Von meinen besten Freundinnen, weil ich ihnen die letzten Manolo Blahniks 60 % reduziert weg geschnappt habe. Von meinem Bruder, weil ich seinen Salat gegessen habe, auf den er sich den ganzen Tag gefreut hat. Von meinen Exfreunden, entweder ironisch gemeint und lächelnd gesagt, weil ich gerade was ganz böses (an dieser Stelle fällt das obligatorische Klein-Mädchen-Gekicher aus) gemacht habe oder todernst gemeint, weil es mal wieder time to say goodbye war.
Ich bin aber ein liebes Miststück.
Habe ich gedacht.
Bis gestern.
Ganz im Ernst. Wenn ich nicht ich wäre, ich glaube ich würde mich hassen. Meine kleine Frau Settergren2 und ich waren am Sonntag das erste Mal in unserem Leben im Stadtpark-Bad. Das Wasser dort soll das Beste sein und angeblich laufen dort ja unwahrscheinlich (im wahrsten Sinne des Wortes) heisse Typen herum. Ist schon total unlogisch, weiss doch jedes Mädchen, dass die coolen Typen immer am Volleyballfeld herumlungern. Nur leider gibt es da überhaupt keines. Wo die sich also versteckt haben, bleibt mir ein Rätsel, aber dazu eventuell später mehr.

Wir kommen im Bad an bzw gehen wir diesen etwas irritierenden Eingang entlang, hinter welchem sich jetzt (neuerdings) ein abgehalfterter Möchte-gern-Beach-Club versteckt. Wir erspähen eine Riesenschlange.
Kurz schrillt in meinem Kopf die Alarmglocke
„Anstehen??? Iiiiiich????“.
In der gleichen Sekunde sticht das unübersehbar grosse Schild „Glaspfand 1 €“ ins Auge und ich überaus intelligentes Wesen schlussfolgere (wie ich finde) logisch, dass die Schlange auf jeden Fall zum Getränke/Glaspfand/1 Euro-Stand gehört. Frau Settergren2 und ich stiefeln also an der Schlange vorbei in Richtung Wasser. Wir sind schon fast durch, da bleibe ich stehen und bemerke, dass wir dreisten Viecher unaufmerksamen Trantüten geradewegs durch die Kasse latschen. Man könnte jetzt denken, dass wir gut erzogen sind, da wir eben nicht dummdreist durch die Kasse gelatscht sind, ohne zu bezahlen. Aber dass ich es scheinbar nicht bin, zeigt folgende Situation.

Warum sind wir nicht einfach durchmarschiert... kein Hahn hätte danach gekräht. Kein einziger. Aber nein. Wir stehen also wieder am Eingang. "Da simma wieda janz am Anfang, schnauf" fällt mir ein. Aber ich weiss nicht wieso und woher ich das kenne. Aber egal, sinnlose, fast schon geistesverwirrende Gedankengänge sind in der Mittagshitze schon mal zu verzeihen. Tom Cruise hat andauernd solche gestörten Gedanken und scheut sich nicht, diese auszuleben. Aber das ist ein anderes Thema...
Schwer genervt von den herumtollenden Kindern, extrem hungrig geworden durch den Grill-Duft in der Luft, schwitzend von der drückenden Hitze und leidend, weil die schwere und unpraktische, aber durchaus coole, Tasche sich ins Fleisch schneidet, stehen wir neben der Schlange. Wieder mal kreisen meine Gedanken darum, dass ich immer noch keinen steilen Zahn süssen Kerl zum Freund habe und mir dadurch dieses bekloppte Tasche-Schleppen nicht erspart bleibt. Frau Settergren2 hätte gerne einen Mann, der sich im Kanu abrackert, während sie darin liegt und ein Buch liest. Aber nein… wir sind auf uns allein gestellt. Unsere Blicke sagen alles.
„Anstellen?! Never ever.“
So versuchen wir uns gaaanz unauffällig (natürlich) seitlich in die Schlange zu mogeln. Man glaubt es kaum, aber wir schaffen es, ohne dass jemand lauthals herumpöbelt. Doch… zu früh gefreut. Eine relativ dicke Drohne mit einer Luftmatraze meckert und motzt ihre Begleitung voll, laut genug, dass ich es höre, aber zu leise, um mich direkt anzusprechen. Das kann ich ja ab! Frau Settergren2 sieht schon meinen extrem hässlichen genervten Blick und versucht mit einer, von mir heiss und innig geliebten, Butschi-Einlage („Ein Schnabel kann nicht lachen!“) die Situation zu entschärfen. Was ihr nicht gelingt. Hätte sie die Lache von Butschi nachgemacht, die sie im Urlaub geübt hat, ich hätte mich beruhigt, da bin ich sicher.
Aber so merke ich mit jedem Wort, das die hässliche Natter blöde Zicke sagt, wie ich wütender werde. Wenn ihr was nicht passt, soll sie es mir direkt sagen. Die feige Sau. Ich weiss nicht, ob ich noch immer betrunken bin von Freitag (es war Sonntag) oder extrem schlecht gelaunt… auf jeden Fall erschrecke ich mich selber als ich mich sagen höre:

„WIE BITTE???“ und mich vor ihr aufbaue.
Etwas irritiert durch meine direkte Ansprache, sucht betroffene Dickleibige nach Worten.
Hier der Dialog, nachdem sie diese gefunden hat:

Dicke Frau: „Ja….also… Sie drängeln hier ja vor“!
Jennie (bestätigend nickend): „Ja, das ist richtig.“
Dicke Frau: „……. Aber….!!“
Jennie: „Was aber??“
Dicke Frau: „Das macht man doch nicht!!“
Jennie: „Ich weiss. Aber ich werde mich da nicht anstellen und auf zwei Leute mehr kommt es jetzt auch nicht mehr an.“
Dicke Frau (empört): „Oh das finde ich aber DOCH.“
(Hektisch sucht sie nach Verbündeten, aber niemand kommt ihr zu Hilfe.)
Jennie (achselzuckend): „Ja das kann ich jetzt aber leider gerade auch nicht ändern.“
Dicke Frau (entsetzt): „- - - das ist ne Unverschämtheit.“
Jennie (Kaugummiblase machend): „Ja. Das ist es. Oh ja. Das ist es.“

Das Pärchen hinter uns lacht sich tot, die dicke Frau ist ruhig vor Entsetzen und wir sind endlich dran...
Spaßbad im Stadtpark.
Ich bin so ätzend.
Und schicke Typen sind da auch nicht.
logo

Frau Settergren sagt...

Archiv

Mai 2008
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 1 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
11
12
13
14
15
17
18
19
21
22
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 

Besucheranzahl

Aktuelle Beiträge

Frau Settergrens Video...
Das Leben - und wie ich es zu meinem machte. Jetzt...
Frau Settergren - 15. Mai, 09:25
Über falsche Bestellungen...
Bei meiner Bestellung sagte ich extra “Ohne Champignons...
Frau Settergren - 6. Sep, 16:32
Das ist das Traurigste...
Das ist das Traurigste und Nachhallendste, was ich...
romeomikezulu - 24. Aug, 10:07
Unser letzter Tag.
Nasses Haar, das im Gesicht kitzelt Meine Nase in deinem...
Frau Settergren - 22. Aug, 15:51
Was für eine traurige...
Was für eine traurige Geschichte. Und wie merkwürdig...
romeomikezulu - 26. Jul, 22:54

Mein Lesestoff


Jonathan Franzen
Die Korrekturen


Fernanda Eberstadt
Liebeswut


Musikliste


Joy Division
The Best of



Cocorosie, Coco Rosie
La Maison de Mon Reve


Radio Musik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren

kostenloser Counter