21
Aug
2008

Bist du weg?

Manchmal wacht man morgens auf und weiß: es ist vorbei. Man horcht in sich hinein und man spürt... nichts. Leere. Dort wo früher ein dumpfes Drücken, ein stechender Schmerz und ein flaues Gefühl getrennt voneinander oder in einer Zweckgemeinschaft wohnten, ist nichts mehr. Ruhe. Stille. Ich würde fast schon sagen Frieden. Manchmal wacht man morgens auf und diese bestimmte Sache, die einen immer beschäftigte - das können viele Sachen sein: eine unglückliche Beziehung, eine große unüberbrückbare Angst Schrägstrich Panik vor etwas bestimmten, die traurige oder so grauenhaft schmerzhafte Vergangenheit, die einem nur ein normales Leben ermöglicht, stopft man diese in den hintersten Schuhkarton im Wandschrank der Erinnerungen, eine tief in der Seele verscharrte Phobie oder ein Trauma, große Gefühle wie quälende Sehnsucht und herzrasendes Vermissen - alles mögliche kann das sein. Und eines Morgens, wacht man auf und es ist weg. Man strengt sich fürchterlich an, um ganz tief in seinen Bauch, seine Seele zu lauschen, aber es ist nicht mehr da. Man geht in Gedanken jeden Quadratzentimeters seines Körpers ab, fängt bei den Füßen an und landet - selbstverständlich! - im Gehirn. Und sucht auch dort, nicht ohne leise mit sich selbst zu sprechen und zu murmeln: "Wo zur Hölle bist du, wo hast du dich versteckt?" Doch man bekommt keine Antwort. Man sucht und sucht, jede Hirnwindung wird akribisch genau obduziert, und fragt am Ende, ungläubig und fast ehrfürchtig: "Bist du weg?"... Wiederholt den Vorgang immer und immer wieder, hört nicht auf zu suchen, während man unter der Dusche steht, zwischendurch das Wasser abdreht, um zu lauschen. Beim Zähneputzen innehält und wie ein Hase die Ohren spitzt, die Augen geschlossen, fassungslos, immer noch nichts zu finden. Beim Sich-Anziehen das ganze Thema kurz ausblendend, weil man sonst wie ein Kasperle das Haus verlassen würde. Die kurze Strecke zum Bahnhof im Auto ohne Radio fahrend, weil man durch den Lärm die innere Stimme verpassen könnte. In der U-Bahn das Buch in der Tasche lassend, um weiterhin zu lauschen. Doch nichts. Nichts nichts nichts.

Und bis zu dem Tag, bis zu dem traurigen Tag, an welchem man die altvertraute, krächzende und angsteinflössende Stimme sagen hört: "Hier bin ich wieder!" ist man frei.

Frei.
Fixation (Gast) - 21. Aug, 12:41

Sprachlos. Wundervoll. Danke.
Unbekannte Grüße aus dem fernen Chicago.

Mase (Gast) - 21. Aug, 20:08

oh...

wenn das wirklich so ist, dann sage ich "Herzlichen Glückwunsch", endlich und seufze einmal ... es geht voran

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