2
Feb
2009

Vom Aufgeben der Aufgabe

Warum heißt die Aufgabe, also etwas, das zu lösen gilt, Aufgabe? Hat es was mit dem Aufgeben zu tun, weil man viele Aufgaben des Lebens gar nicht lösen kann oder zu früh aufgibt?

Dann möchte ich noch über eine Thematik schreiben, die mich aktuell - genau in diesem Moment - beschäftigt. Wenn einem ein Teil des linken Beines einschläft, exakterweise der Bereich kurz über dem Knie, dann kann man trotzdem sein linkes Bein komplett nicht bewegen! Und wenn man es doch versucht, fühlt es sich ekelerregend an. Ich sollte mich vielleicht auch einfach ein bißchen mehr bewegen. Denn wenn ich so weitermache, dann werde ich auf meiner schönen Couch meine Umrisse eingelegen haben. In etwa wie die Polizei in aller Welt die Lage ihrer Leichen markiert, so markiere ich mit Hilfe meiner Couch meine Silouette. Ich denke auch, dass es langsam aber sicher an der Zeit ist, mir Thrombosestrümpfe zu zu legen, ich meine im Krankenhaus bekommt man diese schon nach drei Tagen verpasst, ich liege mindestens 7 (in Worten: SIEBEN!) Tage und bekomme weder Spritzen noch die Zauberstrümpfe. Wäre aber auch egal, mich sieht ja sowieso keiner.

Na ja ganz stimmt das was ich hier erzähle auch nicht, so habe ich nämlich am Wochenende das Haus verlassen. Der viele Sauerstoff und das grelle Licht waren in den ersten Minuten ein Schock, aber nachdem ich mir eine Zigarette anzündete, ging es mir gleich viel besser. Ich war am Wochenende auf der (tadaaa) Fashion Week in Berlin und ich muss sagen, ich habe mich gut geschlagen. Ich konnte mich nicht recht für eine Rolle entscheiden, so probierte ich eine ganze Palette toller Persönlichkeiten aus. Gracinka Grosznesewicz aus Russland, ein aufsteigender Stern am Jung-Designerhimmel (ähm weiß ja keiner wie alt ich im Juli werde...), Marie Mohn, Exmodel - zu Hause auf der ganzen Welt und Bambi Settergren aus Schweden, Künstlerin (das war am Allerbesten, denn unter dem Sammelbegriff Kunst kann man ja einiges unterbringen, selbst das Sammeln verschiedener Einkaufstüten und der geschickten Unterbringung eben dieser auf kleinstem Raum kann dazu gehören). Ich muss aber ehrlich zugeben, die besten Gespräche führte ich mit meiner eigenen, kleinen, echten Persönlichkeit. Wie erfrischend es war, zwischen all den "Küsschen-Küsschen-was-hat-der-dürre-Vogel-da-an"-Frauen und den "ich-bin-nicht-so-eine-doch-das-bist-du-wohl-Flachleger"-Typen plötzlich, unverhofft, normale Menschen zu treffen. Und Gespräche zu führen. Gute Gespräche. Und wie ich so da sass, auf einer Afterparty zwischen all den schillernden Menschen, in ihren wundervollen Klamotten, mit ihren selbstsicheren Gängen und ihren arroganten Blicken, die sich in einer Sekunde in ein zuckersüsses, mädchenhaftes und verletzliches Lächeln verwandeln können, beschwipst vom Champagner, den ich überhaupt nicht mag und den Bass der hippen Musik in der Magengegend spürend, da fiel mir etwas auf und sofort, als hätte ich meine eigene Jukebox in meinem Kopf, lief in mir der Refrain des Songs "where is the love?". Und das fragte ich mich... ich sah kein einziges Pärchen, keine verliebten Blicke, die ausgetauscht wurden, kein Händchenhalten und keine Küsse. Und da wusste ich, wenn mir das auffällt, wenn ich auf so etwas achte... dann bin ich einsam. Egal wie viele Menschen um mich herum stehen, egal wie viel ich trinke, wie rot ich meine Lippen anmale, wie toll mein Kleid aussieht, wie laut ich lache und wie wild ich tanze... ich bin der vermutlich einsamste Mensch der Welt. (Bin ich natürlich nicht, ich fand die Dramatik nur gerade so passend in dem Text.) Ich stand auf und ging in ein Treppenhaus, lief die Treppen hoch und fand einen kleinen Balkon. Bestimmt durfte ich dort gar nicht sein, bestimmt würde gleich ein smarter Anzugträger kommen und mich zaghaft auf mein Fehlverhalten hinweisen. Doch es kam niemand. Das Licht im Treppenhaus ging aus und da stand ich... im Dunkeln. Traurig, allein und voller Sehnsucht. Ich zündete mir eine Zigarette an, an etwas muss man sich festhalten, und blickte in den Himmel. Ich wünschte mir eine Sternschnuppe, die nicht kam. Ich wünschte mir einen Prinzen, der wie Richard Gere durchs Treppenhaus läuft und mich erlöst. Doch auch der kam nicht. So stand ich da allein und da fühlte ich es, spürte wie es langsam in mir aufstieg, dieses Gefühl... mir wurde übel! Kotzübel. Sauerstoff und Zigarettenqualm in Kombination mit Champagner, tödlich. Ich setzte mich auf eine Stufe und wartete ab. Zum Glück musste ich mich nicht übergeben und selbst wenn, es war ja sowieso niemand da, der mir liebevoll meine Haare aus dem Gesicht hält. Und da fiel mir auf, wie sehr ich mir das wünsche. Die große Liebe. Die größte, die, die alles vorher dagewesene in den Schatten stellt, die einen vor Glück nicht essen lässt und bei der man keine Sekunde Schlaf braucht, weil man einfach gar nichts braucht... außer Luft und Liebe. Und ich weiß, ich werde sie finden, irgedwann wird hier ein Beitrag stehen, ein Beitrag, der voller Liebe und Glück ist und ich werde diese Zeilen lesen und mich nur dunkel an die jetzige Zeit erinnern. Die Zeit, die längst vergangen ist und nichts, aber rein gar nichts mehr, mit meinem neuen Leben an der Seite meines Traummannes zu tun hat.

Der Mann, der mich immer an der Hand hält.
Und mich so liebt, wie ich bin.

Klugscheisser (Gast) - 2. Feb, 21:57

der wohnt aber nicht zufällig in der Hauptstadt, der Handhalter oder?

testsiegerin - 2. Feb, 22:25

"Der Mann, der mich immer an der Hand hält.
Und mich so liebt, wie ich bin."

Wie schön, Sie glauben noch an Märchen, Frau Settergren ;-)
Aber stellen Sie sich mal vor, wie Sie sich fühlen, wenn jemand Sie dauernd an der Hand hält. Ihnen wären die Hände gebunden, sie müssten einhändig durchs Leben gehen, könnten keine Flasche Milch aufschrauben, keine Zigarette anzünden, nichts. Überall täten sie so ein Anhängsel brauchen, damit sie leben können.

Zu den Aufgaben, noch.
Vielleicht haben sie ja mehr mit Gaben als mit Aufgeben zu tun. Wir müssen unsere Gaben nützen, um Aufgaben erledigen zu können. Vor allem die, das Leben zu meistern.
Wenn wir es gemeistert haben, ist es vorbei. Oder wie Limp Bizkit so schön singen: Because life is a lesson, you'll learn it when you're through.

Snugg (Gast) - 2. Feb, 23:14

Den mit der Gabe finde ich auch überzeugend. Ich hab das eben nochmal recherchiert, aber die Arbeit scheint einem so schnell nicht abgenommen zu werden. "Geben" heißt eben geben. Und da kommt auch die Gabe her. "Auf" heißt eben auf im Sinne von weg-, los-. Nicht, dass damit schon alles gesagt wäre. Eine Aufgabe kann einem aufgegeben worden sein – wie die Hausaufgabe – lang vergangene Schulzeit hab sie selig – oder man kann sie sich selbst gegeben haben. Vielleicht bedarf man einer Gabe, um sie zu lösen, vielleicht erweist sich als Gabe, überhaupt nur der stete Versuch, die Aufgabe zu lösen. Allein das "vielleicht" hält das in der Schwebe und schiebt stets in Richtung einer noch zu kommenden Zukunft auf. Eine Zukunft, die zu gestalten, man sich durchaus zur Aufgabe machen kann. Ganz spannend ist in dem Zusammenhang noch ein Gedanke, den leider nicht ich hatte. Jacques Derrida kommt mit Blick auf die Gabe zu der Pointe, dass die Gabe eben oben beschriebenes muss: in der Schwebe bleiben. Würde die Gabe nämlich angenommen, wäre sie in den Besitz desjenigen übergegangen, dem gegeben wurde. Sie wäre sein und nicht länger die Gabe eines anderen.
Was das nun mit der Liebe zu tun hat... nun, das ist bestimmt auch eine Aufgabe und weniger ein Geschenk. In der Schwebe halten ist gut. Versäumt man das, kann es mit der Gabe auch unsanft gen Erdboden gehen. Die Liebe, das empfindliche, flüchtige, erfüllende Miststück.
Und dennoch. Mit Recht zitiert irgendein älterer Mensch in irgendeiner unsäglichen Schnulze einen seiner Meinung nach sehr klugen Mann. John Lennon.
All you need is love – und aus der nämlichen Feder:
Can't buy me love.
? (Gast) - 3. Feb, 09:57

?

Sehr schön geschrieben hat sie den Text... Sehr beeindruckend wie Du Deine Gefühle in Worte fassen kannst oder waren es gar nicht Deine, sondern Gefühle einer anderen Person. Hat mir egal wie es ist trotzdem sehr gut gefallen...

;)

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